Stretching – vor dem Sport, danach oder überhaupt nicht?
Was du beim Dehnen beachten musst und wie du es richtig machst.
Inhalt
- Was passiert beim Stretching?
- Vor- und Nachteile: Effekte von Stretching
- Statisch vs. dynamisch: Wie dehne ich richtig?
- Die wichtigsten Stretching-Regeln
Stretching soll beweglich machen, Verletzungen vorbeugen und Muskelkater lindern. Lange Zeit galt Dehnen als sportliche Allzweckwaffe. Doch inzwischen sind sich Experten einig: Stretching macht nicht immer Sinn! Wer von den positiven Effekten profitieren will, muss beim Dehnen ein paar Grundprinzipien beachten.
Was passiert beim Stretching?
Beim Dehnen verlängerst du für einen kurzen Moment deine Muskelstruktur.
Jeder Muskel in deinem Körper hat einen Ansatz und einen Ursprung, diese Enden nennt man auch Muskelspindeln. Spannst du zum Beispiel deinen Beinbeuger (hinterer Oberschenkelmuskel) an, so nähert sich der Muskelursprung am Oberschenkel seinem Ansatz am Unterschenkel – du beugst dein Knie.
Beim Dehnen erzielst du genau den umgekehrten Effekt: Beide Muskelenden entfernen sich maximal voneinander, sodass es zur Streckung des Muskels kommt.
Beim Stretching bleibt der Muskel in seiner Länge immer gleich. Nur das Bindegewebe der Muskulatur, die Faszien, werden durch Dehnübungen flexibler.
Vor- und Nachteile: Effekte von Stretching
Stretching kann langfristig die Beweglichkeit der Gelenke verbessern sowie Sehnen und Bänder stärken, kurzfristig dazu beitragen, Dysbalancen zu beheben sowie Spannungen, Schmerzen und Stress reduzieren.
Nicht sinnvoll oder sogar kontraproduktiv sind Stretching-Übungen hingegen nach intensiven Trainingseinheiten, bei Muskelkater und Zerrungen oder um Verletzungen vorzubeugen.
Prof. Dr. Jürgen Freiwald von der Bergischen Universität Wuppertal erklärt: „Wenn ein Läufer das Gefühl hat, durch Dehnen entspannter in den Lauf zu kommen, weil sich die Muskulatur lockerer anfühlt, dann soll er natürlich dehnen – aber er muss es nicht. Eine gedehnte Muskulatur ist nicht vor jenen Überlastungen geschützt, die den Muskelkater auslösen. Und Verletzungen werden meist auch durch äußere Kräfte verursacht, Überlastungen oder mangelndes Aufwärmen.„
Das bestätigt auch eine Studie der Universität Jena, die mit Fußballspielern durchgeführt wurde: Dehnübungen zur Verletzungsprävention hätten demnach keinen wissenschaftlich nachgewiesenen Effekt.
Statisch vs. dynamisch: Wie dehne ich richtig?
Vereinfacht unterscheidet man zwei Arten der Dehnung: die statische und die dynamische.
Welches Stretching bei deiner Sportart sinnvoll ist, zu welchem Zeitpunkt du dehnen solltest und welche Vor- und Nachteile es gibt:
Statisches Stretching
Beim statischen Stretching ziehst du deinen Muskel in die Länge und hältst diese Position für 20 bis 30 Sekunden.
Statisch solltest du dich nur in aufgewärmtem Zustand oder nach dem Training dehnen – niemals bei akutem Muskelkater oder nach besonders starker Belastung wie beim Maximalkrafttraining.
Laut einer Meta-Studie im 'Journal of Medicine & Science in Sports' reduziert statisches Stretching vor dem Workout die Muskelkraft und Schnelligkeit – unabhängig vom Alter, Geschlecht oder Fitnesslevel des Athleten.
- Vorteil: Fördert die Flexibilität
- Nachteil: Macht die Muskulatur anfälliger für Verletzungen und weniger leistungsfähig
- Geeignet für: Laufen und Aktivitäten, bei denen Flexibilität gefordert ist (z. B. Turnen, Tanzen, Ballett, Kampfsportarten wie Karate und Taekwondo)
Dynamisches Stretching
Beim dynamischen Dehnen machst du sanfte, federnde Bewegungen – etwa 10 bis 15 Wiederholungen. Dabei wird der Muskel durch den Bewegungsfluss kontinuierlich sanft in die Länge gezogen und wieder gelockert.
Dynamisches Stretching ist ideal als Teil des Warm-ups oder Cool-downs und spontan bei Krämpfen, sofern die Bewegung gut tut.
- Vorteil: Fördert die intermuskuläre Koordination, also das Zusammenspiel verschiedener Muskelgruppen, und die Durchblutung
- Nachteil: Zu intensiv ausgeführt, kann es als Warm-up das Verletzungsrisiko steigern, etwa beim Maximalkrafttraining
- Geeignet für: Kraftsport und Aktivitäten, bei denen Schnellkraft gefragt ist (z. B. Ballsportarten wie Fußball, Sprinten, Plyometrics)
CR- und AC-Methode
Neben dem statischen und dynamischen Stretching gibt es die komplexere CR+AC-Methode:
CR bedeutet, du spannst den zu dehnenden Muskel ein paar Sekunden an (contract), lässt locker und dehnst (relax).
AC steht für die Muskelkontraktion des Antagonisten, du spannst also den Gegenspieler des zu dehnenden Muskels an, um diesen wiederum zu entspannen.
Die Methoden CR und AC lassen sich isoliert ausführen oder kombinieren – am besten als Teil des Warm-ups oder im Cool-down.
- Vorteil: Fördert die Beweglichkeit und Durchblutung der Muskulatur
- Nachteil: Komplexe Methoden, für die ein gutes Körpergefühl und Übung Voraussetzung sind
- Geeignet für: Fortgeschrittene aller Sportarten
Die wichtigsten Stretching-Regeln
Generell gilt: Regeneration ist für Sportler Pflicht, Stretching nur in Ausnahmefällen, wenn die Sportart besonders explosive Bewegungen oder Flexibilität verlangt.
Wenn dir nach Stretchen ist, gehe diesem Impuls ruhig nach.
Diese Grundprinzipien des Stretchings kannst du dir für deine Routine merken:
- Vor dem Sport dynamisch dehnen, statisches Stretching nur nach dem Training oder einem Warm-up (niemals unaufgewärmt!).
- Während des Stretchings gleichmäßig weiter atmen. Sobald das Spannungsgefühl nachlässt, etwas intensiver in die Dehnung gehen.
- Die Bewegungen langsam ausführen und sanft in die Positionen gleiten, niemals ruckartig.
- Niemals dehnen bei akutem Muskelkater, Verletzungen oder nach besonders starker Belastung.
- Immer auf einer rutschfesten Unterlage dehnen.
- Deine körperlichen Grenzen wahrnehmen und respektieren: Der Dehnschmerz sollte bei normaler Atmung erträglich sein. Sobald du schneller oder flacher atmest, entspanne die Muskulatur.
Wer durch regelmäßiges Stretching seine Bewegllichkeit verbessern will, sollte geduldig an die Sache herangehen. „Mache dich nicht verrückt, wenn du keine schnellen Fortschritte sehen kannst“, erklärt Trainerin Viktoriia Misnik vom Stretch Club in Hofheim. „Alles braucht Zeit und eine gute Beweglichkeit kommt nicht von heute auf morgen.“
Wichtig aus ihrer Sicht: Bleibe in Balance und stretche nicht nur Rücken oder Beinrückseiten, sondern immer den gesamten Körper.